Samstag, 23. März 2013

BGH: Zur Anwendung des § 32 KWG auf Winzergelder

BGH, Pressemitteilung vom 19.03.2013, Nr. 49/2013
Zur Anwendbarkeit des Kreditwesengesetzes auf Verbindlichkeiten aus Winzergeldern

Bereits die beiden Vorinstanzen waren sehr interessant, ging es doch um nichts weniger als um die Frage der Reichweite des § 32 KWG, der wegen seiner komplexen Regel - Ausnahme - Systematik nicht ganz leicht zu verstehen ist, aber dessen Einhaltung seitens der BaFIN streng überwacht wird. Ungeachtet dessen wird immer wieder versucht, die Reichweite dieser Norm und vergleichbarer Normen in anderen EU - Staaten oder "Offshore" in gewisser Weise "auszutesten". 

Völlig unabhängig von der Rechtsform bedarf nach § 32 Abs. 1 KWG der schriftlichen Erlaubnis der BaFIN, wer im Inland gewerbsmäßig oder in einem Umfang, der einen in kaufmännischer Weise eingerichteten Geschäftsbetrieb erfordert, Bankgeschäfte betreiben oder Finanzdienstleistungen erbringen will. Was ein Bankgeschäft ist, wird in § 1 Abs.1 Satz 2 und § 1 Abs.1 1 a Sätze 2 und 3 KWG abschließend definiert. Von Bankgeschäften abzugrenzen sind jene Finanzdienstleistungen, die eine Erlaubnis nach der Gewerbeordnung verlangen (Bsp: Darlehensvermittlung). Die Abgrenzungen sind in Teilbereichen sehr schwierig. 

Eine etwaig erforderliche Erlaubnis muss vor der Aufnahme der Geschäftstätig vorliegen und ist bei Eintragungen in das Handelsregister zuvor vorzulegen. Werden entsprechende Finanzdienstleistungen ohne die erforderliche Erlaubnis erbracht, kann die Bundesanstalt nach § 37 KWG die sofortige Einstellung des Geschäftsbetriebs und die unverzügliche Abwicklung dieser Geschäfte gegenüber dem Unternehmen und den Mitgliedern seiner Organe anordnen.


Die aufsichtsrechtliche Seite spielte bei dem seitens des BGH entschiedenen Falles keine Rolle, weil es sich um eine zivilrechtliche Streitigkeiten zwischen Beteiligten an derart unerlaubten Geschäften handelte, die dem BGH aber die Gelegenheit boten, hier eine Grundsatzentscheidung zu treffen. Im vorliegenden Fall  

hat der für die Haftung aus unerlaubter Handlung zuständige VI. Zivilsenat des BGH die Erlaubnispflicht für überjährige Zinsgeschäfte der Winzergenossenschaften und vergleichbaren Betriebe mit Winzergeldern nach dem Kreditwesengesetz bejaht, weil das betreffende Unternehmen Einlagengeschäfte betrieben hat, die Banken vorbehalten sind, die völlig anderen Absicherungen und Anforderungen unterliegen. Der Fall ist auch aus gesellschaftsrechtlicher Sicht überaus interessant, weil es sich vorliegend um die Inanspruchnahme des Geschäftsführers der Komplementär - GmbH einer GmbH & Co. KG handelte, die die Geschäfte der KG führte, die selbst insolvent geworden ist. Die Haftung haben nunmehr alle Instanzgerichte im Rahmen der Außenhaftung bejaht. Dies zeigt auch, welchen Risiken sich als Geschäftsführer aussetzt, wer sich in derartige Geschäfte ohne entsprechende Absicherung involviert.

Auszüge: 

 Der Kläger, ein in der Pfalz ansässiger Winzer, nimmt die Beklagten als ehemalige Geschäftsführer der Komplementär-GmbH der zwischenzeitlich insolventen L. GmbH & Co. KG wegen des von ihm über mehrere Jahre bei der Schuldnerin belassenen und aufgrund der Insolvenz nicht zurückerhaltenen "Winzergelds" auf Schadensersatz in Anspruch. 

Bei der Schuldnerin war es bereits seit den 1970er Jahren ständige Geschäftspraxis, dass eine Vielzahl von Erzeugern aus der Winzergemeinschaft (im Durchschnitt 160 bis 300 Winzer) jeweils einen Teil des Entgelts für die Ablieferung ihrer Trauben als jederzeit abrufbare "Einlage" gegen Verzinsung stehen ließen, damit die Schuldnerin mit dem Kapital wirtschaften konnte. Im Jahre 2007 hatten mindestens 50 Erzeuger "Winzergelder" in Höhe von insgesamt etwa 2.500.000 € ohne bankübliche Sicherheiten bei der Schuldnerin einbezahlt. Eine Erlaubnis nach dem Kreditwesengesetz besaßen die Schuldnerin beziehungsweise ihre Komplementär-GmbH nicht. 

 Die Winzergemeinschaft, der auch der Kläger angehört, verpflichtete sich mit Liefer- und Abnahmevertrag vom 1. September 1983 zur Lieferung von Weintrauben an die Schuldnerin. Der Vertrag wurde mit Vereinbarung vom 6. Oktober 1989 unter anderem um die Regelung ergänzt, dass für den Fall, dass ein Mitglied der Winzergemeinschaft (Erzeuger) einen Teil oder den Gesamterlös seiner Ernte bei der Schuldnerin stehen lässt, dieser Betrag mit 5 % verzinst wird und der Zinssatz mit steigendem und fallendem Kreditzins gleitend sein soll. Nachdem der Kläger auf seine ursprünglich getätigten Einzahlungen in Höhe von zuletzt 81.447,67 € nach der Insolvenz der Schuldnerin teilweise Entschädigungsleistungen von dritter Seite erhalten hat, verlangte er von den Beklagten Ersatz des Restbetrags Zug um Zug gegen Abtretung seiner im Insolvenzverfahren der Schuldnerin festgestellten Ansprüche. 

In diesem Umfang hatte die Klage in den Vorinstanzen Erfolg. Nach Auffassung des Berufungsgerichts handelt es sich bei den vom Kläger eingezahlten Geldern um Einlagen im Sinne des § 1 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 KWG, so dass die Beklagten durch die Annahme der Gelder ohne die dafür erforderliche Erlaubnis gegen § 32 Abs. 1 Satz 1, § 54 Abs. 1 Nr. 2 Fall 1, Abs. 2 KWG verstoßen hätten und dem Kläger deswegen deliktisch zum Schadensersatz verpflichtet seien. Das Berufungsgericht hat die Revision zugelassen. 

 Der VI. Zivilsenat des Bundesgerichtshof hat die Beurteilung des Berufungsgerichts gebilligt. Die Geschäftspraxis der Schuldnerin erfüllte alle Merkmale eines Einlagengeschäfts im Sinne des Kreditwesengesetzes. Ein solches setzt voraus, dass fremde Gelder von Unternehmen von mehreren Geldgebern, die keine Kreditinstitute im Sinne des § 1 Abs. 1 KWG sind, zur unregelmäßigen Verwahrung, als Darlehen oder in ähnlicher Weise ohne Bestellung banküblicher Sicherheiten und ohne schriftliche Vereinbarung im Einzelfall laufend zur Finanzierung eines auf Gewinnerzielung gerichteten Aktivgeschäfts entgegengenommen werden. 

Die Schuldnerin nahm Gelder von einer Vielzahl von Winzern mit einer Rückzahlungsverpflichtung und ohne bankübliche Besicherung laufend entgegen, um damit in ihrem Aktivgeschäft zu wirtschaften. Indem die Beklagten als Organe der Komplementär-GmbH der Schuldnerin Einlagengeschäfte und damit Bankgeschäfte ohne aufsichtsbehördliche Erlaubnis führten, verstießen sie gegen das Kreditwesengesetz. Sie handelten dabei jedenfalls fahrlässig, denn sie hätten sich über etwaige Erlaubniserfordernisse unterrichten müssen. 

Bereits im Jahr 1974 hatte das Bundesaufsichtsamt für das Kreditwesen in einem amtlichen Schreiben zum Einlagenbegriff im Zusammenhang mit "Winzergeldern" Stellung genommen. Danach stellen die im Verlauf einer Abrechnungsperiode geleisteten Zahlungen oder erteilten Zwischenabrechnungen der Winzergenossenschaften bis zur endgültigen Jahrgangsabrechnung nur Vorschüsse auf den endgültigen Traubenpreis dar. Mit der Endabrechnung wird die Traubengeldverpflichtung fällig. Wenn ein Winzer gemäß den Zwischenabrechnungen keine Vorauszahlung verlangt, können die nicht in Anspruch genommenen Beträge bis zur Endabrechnung verzinst werden, ohne dass es sich bei den derart entstandenen "Guthaben" der Winzer um Einlagen im Sinne des § 1 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 KWG handelt. Werden die mit der Endabrechnung fällig gewordenen Beträge einschließlich der hinsichtlich des jeweiligen Jahrgangs nicht in Anspruch genommenen Vorschüsse nicht unverzüglich an die Mitglieder ausgezahlt, ist die Verbindlichkeit einer Winzergenossenschaft gegenüber ihren Mitgliedern insoweit als Einlage anzusehen. 

BGH, Urteil vom 19. März 2013 – VI ZR 56/12 
LG Landau in der Pfalz - Urteil vom 28. April 2011 - 4 O 32/10 
Pfälzisches OLG Zweibrücken - Urteil vom 12. Januar 2012 - 4 U 75/11 
Quelle: Pressestelle des Bundesgerichtshofs

BGH verschärft erneut die Architektenhaftung

BGH, Pressemitteilung Nr. 51/2013
BGH präzisiert Pflichten des Architekten

Der VII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat erneut über die Pflichten eines Architekten im Hinblick auf die Ermittlung und Berücksichtigung der Kosten eines von ihm zu planenden Bauwerks entschieden und verschärft damit erneut das Haftungsrecht der Architekten. Wer als Architekt ohne Architektenvertrag- auf welcher Abrechnungsbasis auch immer - tätig wird, handelt fahrlässig gegen sich selbst (nicht nur in Deutschland). Nun kommen weitere Dokumentationspflichten hinzu, soll eine Haftung in einschlägigen Fällen vermieden werden. 

Im durch den BGH entschiedenen Fall beauftragte ein Bauherr 1998 einen Architekten mit der Genehmigungsplanung für ein Wohnhaus. Die vom Architekten vorgelegte Planung wurde nicht realisiert. Nach der Behauptung des Beklagten war sie für ihn unbrauchbar, weil sie mit Baukosten von über 1,5 Mio. DM weit über dem vorgegebenen Kostenrahmen von 800.000 DM gelegen habe. Der Architekt stellte dem Beklagten die erbrachten Planungsleistungen in Rechnung und erhob gegen ihn schließlich Klage auf Zahlung des Honorars. 

Natürlich kam es in diesem Zusammenhang auch zum Streit über die Vereinbarung einer Baukostenobergrenze, die allem Anschein nach nicht schriftlich als Vertragsbestandteil vereinbart war. Ohnehin sollte in Fällen, in denen eine solche Grenze kalkulatorisch unrealistisch sein sollte, der Bauherr unverzüglich in Kenntnis gesetzt werden. Dies um so mehr als der Architekt diese Grenze nach der "Widerspruchslösung" des BGH hingenommen hat, so dass die Vertragsbestandteil wird, wenn seitens des Architekten kein Widerspruch erfolgt. Die Nichteinhaltung einer Obergrenze führt aber nicht in jedem Falle zur Unbrauchbarkeit der gesamten Planung. Einem derartigen "Automatismus" ist zu widersprechen, weil dies vom Einzelfall abhängt. 

Die Klage hatte zwar in den Vorinstanzen überwiegend Erfolg gehabt. Das Berufungsgericht hat den Einwand des Beklagten, die Planung sei für ihn unbrauchbar gewesen, nicht gelten lassen. Eine vom Architekten bei seiner Planung einzuhaltende Bausummenobergrenze von 800.000 DM sei nicht vereinbart worden. Der BGH hatte Gelegenheit sich zu dieser Thematik grundsätzlich zu äußern: 

Ein Architekt ist grundsätzlich verpflichtet, bereits im Rahmen der sogenannten Grundlagenermittlung mit dem Auftraggeber den wirtschaftlichen Rahmen für ein Bauvorhaben abzustecken und dessen Kostenvorstellungen zu berücksichtigen. Diese dem Architekten gegenüber zum Ausdruck gebrachten Kostenvorstellungen seien in dem Sinne verbindlich, dass sie - vorbehaltlich einer nachträglichen Änderung - den Planungsrahmen bestimmen und jedenfalls dann regelmäßig zum Vertragsinhalt werden, wenn der Architekt ihnen nicht widerspricht. Dies bedeutet, dass nunmehr ein solcher Widerspruch erfolgen muss und auch schriftlich dokumentiert werden sollte. 

Derartige Kostenvorstellungen sind nach der Entscheidung des BGH jedenfalls auch dann beachtlich, wenn sie nicht eine genaue Bausummenobergrenze enthalten, sondern nur Angaben zur ungefähren Bausumme, mit denen ein Kostenrahmen abgesteckt wird. Etwaige Zweifel über den Umfang des Kostenrahmens muss der Architekt aufklären, was auch durch die von der Honorarordnung für Architekten und Ingenieure erfassten Kostenermittlungen für den Auftraggeber geschehen kann. 

Überschreitet der Architekt den vorgegebenen Kostenrahmen und ist die Planung allein deshalb schon unbrauchbar, kann der Anspruch auf das vereinbarte Honorar entfallen. Der Bundesgerichtshof hat die Nichtbeachtung dieser Grundsätze durch das Berufungsgericht beanstandet und die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverwiesen. Dieses Urteil erhöht für Architekten in jedem Falle die Dokumentationslast zur Eigensicherung. 

Urteil vom 21. März 2013 – VII ZR 230/11 
OLG Bamberg - Urteil vom 2. November 2011 - 3 U 100/11 
LG Schweinfurt - Urteil vom 3. Mai 2011 - 24 O 134/00
Quelle: Pressestelle des BGH