Montag, 21. Januar 2013

BGH: Ordentliches Kündigungsrecht der privaten Banken

BGH, Urteil vom 15.01.2013, AZ: XI ZR 22/12


undesgerichtshof entschiedt über das ordentliche Kündigungsrecht der privaten Banken gegenüber Unternehmen. Der XI. Zivilsenat hat in diesem Zusammenhang entschieden, dass die ordentliche Kündigung eines Girovertrags nach Nr.19 Abs.1 AGB-Banken 2002 nicht voraussetzt, dass eine private Bank eine Abwägung ihrer Interessen an einer Beendigung des Vertragsverhältnisses mit den Interessen des Kunden an dessen Fortbestand vornimmt, sondern das insoweit der Grundsatz der Privatautonomie Anwendung findet. Ungeachtet des Umstandes, dass sich Banken durchaus auch wechseln lassen, wollte die Kundin hier an einer Bank festhalten, die sie als Kundin nicht mehr haben wollte, wobei es nach der Rechtslage auf die Motive nicht ankommt.  

In Streit standen hier die ABG Banken für das Jahr 2002. Im Bereich des Zahlungsverkehrs müssen private Banken seit dem 31. Oktober 2009 umfangreichen gesetzlichen Vorgaben zur Information ihrer Kunden Rechnung tragen, wie dies etwa aus § 675d Abs. 1 BGB und Art. 248 § 3 und § 4 EGBGB hervorgeht, die im Jahr 2002 noch nicht in Kraft waren. Die aktuelle Fassung ist aber insoweit ganz ähnlich, wenn auch mit längeren Fristen: 


19. Kündigungsrechte der Bank

(1) Kündigung unter Einhaltung einer Kündigungsfrist
Die Bank kann die gesamte Geschäftsverbindung oder einzelne Geschäftsbeziehungen, für die weder eine Laufzeit noch eine abweichende Kündigungsregelung vereinbart ist, jederzeit unter Einhaltung einer 
angemessenen Kündigungsfrist kündigen (zum Beispiel den Scheckvertrag, der zur Nutzung von Scheckvordrucken berechtigt). Bei der Bemessung der Kündigungsfrist wird die Bank auf die berechtigten 
Belange des Kunden Rücksicht nehmen. Für die Kündigung eines 
Zahlungsdiensterahmenvertrages (zum Beispiel laufendes Konto oder 
Kartenvertrag) und eines Depots beträgt die Kündigungsfrist mindestens zwei Monate. (...)


Im seitens des BGH entschiedenen Fall unterhielt die Klägerin, eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung, die Bücher und Zeitschriften vertreibt, bei der beklagten privaten Bank seit September 2006 ein Girokonto, das sie für ihren Geschäftsverkehr nutzte. Ihrer Vertragsbeziehung zur Beklagten lagen deren Allgemeine Geschäftsbedingungen (AGB-Banken 2002) zugrunde, die unter anderem folgende Klausel enthielten:

 "19.Kündigungsrechte der Bank (1) Kündigung unter Einhaltung einer Kündigungsfrist Die Bank kann die gesamte Geschäftsverbindung oder einzelne Geschäftsbeziehungen, für die weder eine Laufzeit noch eine abweichende Kündigungsregelung vereinbart ist, jederzeit unter Einhaltung einer angemessenen Kündigungsfrist kündigen (zum Beispiel den Scheckvertrag, der zur Nutzung von Scheckvordrucken berechtigt). Bei der Bemessung der Kündigungsfrist wird die Bank auf die berechtigten Belange des Kunden Rücksicht nehmen. Für die Kündigung der Führung von laufenden Konten und Depots beträgt die Kündigungsfrist mindestens sechs Wochen". 

Die Beklagte teilte der Klägerin unter dem 22. Juli 2009 mit, sie sehe sich "aus grundsätzlichen Erwägungen" nicht mehr in der Lage, die Kontoverbindung mit der Klägerin aufrecht zu erhalten, und kündigte mit einer sechswöchigen Kündigungsfrist (die Frist wäre heute länger). Mit ihrer in beiden Vorinstanzen erfolglosen Klage begehrt die Klägerin festzustellen, der Girovertrag bestehe fort. 

Der XI. Zivilsenat hat auf die vom Berufungsgericht zugelassene Revision das Berufungsurteil aufgehoben und die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverwiesen. Dabei waren im Wesentlichen folgende Überlegungen für seine Entscheidung maßgeblich: 

Im Ergebnis richtig hat das Berufungsgericht angenommen, mittels Nr. 19 Abs. 1 AGB-Banken 2002 sei ein ordentliches Kündigungsrecht wirksam vereinbart, auch wenn die Bestimmung der Beklagten nicht abverlangt, ihr Interesse an einer Vertragsbeendigung mit dem Interesse der Klägerin an der Fortführung des Vertrages abzuwägen. Nr. 19 Abs. 1 AGB-Banken 2002 hält einer Inhaltskontrolle stand. Auch ist die Ausübung des Kündigungsrechts auf der Grundlage der Nr. 19 Abs. 1 AGB-Banken 2002 im konkreten Fall nicht verbots- oder treuwidrig gewesen. 

Insbesondere statuiert das vom Grundsatz der Privatautonomie beherrschte bürgerliche Recht keine über eine mittelbare Drittwirkung des allgemeinen Gleichheitssatzes begründbare allgemeine Pflicht zur gleichmäßigen Behandlung, hier bei der Ausübung eines vertraglich vereinbarten ordentlichen Kündigungsrechts. Entsprechend oblag es der Beklagten nicht, eine Ungleichbehandlung der Klägerin im Verhältnis zu anderen Kunden mittels einer Angemessenheits- oder Verhältnismäßigkeitsprüfung sachlich zu rechtfertigen. Der konkrete Fall bietet auch keine Besonderheiten, die eine Kündigung als rechtsmissbräuchlich bzw. als schikanös oder eine Kündigungsfrist von sechs Wochen als zu kurz bemessen erscheinen lassen. 

Die Sache ist jedoch noch nicht entscheidungsreif, weil das Berufungsgericht, anstatt aufzuklären, ob die Beklagte - wie von der Klägerin bestritten - bei Erklärung der Kündigung mit Schreiben vom 22. Juli 2009 wirksam vertreten war, die Klageerwiderung als erneute Kündigung interpretiert hat. Dabei hat es deren Wortlaut überdehnt. Der XI. Zivilsenat hat die Sache deshalb zur Prüfung der Vertretungsverhältnisse an das Berufungsgericht zurückgegeben. 

Vorinstanzen: 
LG Bremen - Urteil vom 6. Januar 2011 - 2 O 2150/09 
Hanseatisches OLG Bremen - Urteil vom 9. Dezember 2011 - 2 U 20/11 
(veröffentlicht: WM 2012, 1239 ff.) 
Quelle: Pressestelle des BGH

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