Samstag, 8. Dezember 2012

BGH: Health Claim Verordnung und Wettbewerbsrecht

Bundesgerichtshof - Pressemitteilung Nr. 200/2012

Die Health - Claim - Verordnung sorgt aufgrund ihrer teilweise wenig exakten Textfassung und fehlenden Ergänzungen seit Jahren für Anwendungsprobleme. Das sich der BGH unter lauterkeitsrechtlichen Vorzeichen im Rahmen des "Rechtsbruchs" irgendwann mit den dort enthaltenen Hinweispflichten beschäftigen würde, war seit langem zu erwarten. Gerade Werbeslogans in dieser Branche können riskant sein, je nachdem wie nah der Inhalt sich entlang den kritischen Bereichen dieser Verordnung bewegt. Zwart sah der BGH hier keine Irreführung, aber er schloss nicht aus, dass der Slogan gegen Hinweispflichten aus dieser Verordnung verstößt, bei denen nicht klar ist, ab wann sie überhaupt anzuwenden sind. Die Kernfrage, die der EuGH zu beantworten hat, ist daher eine Auslegungsfrage zu dieser Verordnung, die von überaus praktischer Relevanz ist, weil sie nach der Gegenauffassung erst dann relevant werden, wenn die Liste gesundheitsbezogener Angaben verabschiedet, was derzeit noch nicht der Fall ist. Folgt der EuGH dieser Auffassung, ist die Klage mutmaßlich abzuweisen. Der - übert Deutschland hinaus interessante - Fall zeigt sehr pointiert das Zusammenspiel zwischen nationalen und europäischem Wirtschaftsrecht.

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 Die Beklagte stellt Milcherzeugnisse her und vertreibt einen Früchtequark mit der Bezeichnung "Monsterbacke". Auf dessen Verpackungsoberseite verwendet sie den Slogan "So wichtig wie das tägliche Glas Milch!". 

Die Klägerin hält dies für unzulässig im Sinne des § 4 Nr. 11 UWG in Verbindung mit Art. 9 und 10 der sogenannten Health-Claim-Verordnung (Verordnung [EG] Nr. 1924/2006), weil der Werbeslogan sowohl nährwert- als auch gesundheitsbezogene Angaben über Lebensmittel enthalte, weiter erforderliche Angaben aber fehlten. Im Übrigen sei der Slogan irreführend nach § 11 Abs. 1 LFGB, weil nicht auf den gegenüber Milch erheblich erhöhten Zuckergehalt hingewiesen werde. Sie hat die Beklagte auf Unterlassung und Zahlung der Abmahnkosten in Anspruch genommen. 

 Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Das Berufungsgericht hat die Beklagte zur Unterlassung verurteilt. Der u. a. für das Wettbewerbsrecht zuständige I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat das Verfahren ausgesetzt und dem Gerichtshof der Europäischen Union die Frage zur Vorabentscheidung vorgelegt, ob die Hinweispflichten gemäß Art. 10 Abs. 2 der Verordnung (EG) Nr. 1924/2006 bereits ab dem Zeitpunkt der Geltung dieser Verordnung am 1. Juli 2007 zu beachten waren. 

 Der Bundesgerichtshof ist dabei davon ausgegangen, dass der Werbeslogan nicht irreführend ist und auch keine nährwertbezogene Angabe im Sinne von Art. 2 Abs. 2 Nr. 4 der Verordnung (EG) Nr. 1924/2006, wohl aber eine gesundheitsbezogene Angabe im Sinne von Art. 2 Abs. 2 Nr. 5 dieser Verordnung darstellt. Dies entnimmt der BGH der Entscheidung des EuGH in der Rechtssache "Deutsches Weintor" (Urteil vom 6. September 2012 C 544/10, GRUR 2012, 1161 Rn. 34-36). Danach ist der Begriff "gesundheitsbezogene Angabe" weit zu verstehen. 

 Der Erfolg des Rechtsmittels hängt demnach davon ab, ob die Vorschrift des Art. 10 Abs. 2 der Verordnung (EG) Nr.1924/2006 in dem für die Beurteilung des Falles relevanten Zeitraum im Jahr 2010 bereits anwendbar war. Hierfür spricht der Wortlaut des Art. 28 Abs. 5 der Verordnung, in dem Art. 10 Abs. 2 der Verordnung nicht genannt ist. Nach der gegenteiligen Ansicht spricht der systematische Zusammenhang der Regelung dafür, dass die Hinweispflichten gemäß Art. 10 Abs. 2 der Verordnung (EG) Nr. 1924/2006 erst ab der - nach wie vor ausstehenden - Verabschiedung der Liste zugelassener gesundheitsbezogener Angaben gemäß Art.13 Abs.3 der Verordnung gelten. 

 Beschluss vom 5. Dezember 2012 - I ZR 36/11 - Monsterbacke 
LG Stuttgart - Urteil vom 31. Mai 2010 - 34 O 19/10 KfH 
OLG Stuttgart - Urteil vom 3. Februar 2011 - 2 U 61/10 
Beschluss vom 5. Dezember 2012 

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