Donnerstag, 26. April 2012

Gefälschte Markenware in Tschechien zum Flohmarktverkauf in Deutschland eingekauft - Reisegewerbekarte weg

Verwaltungsgericht Neustadt - Pressemitteilung Nr. 18/12
Beschluss vom 18. April 2012- 4 L 2820/12.NW

In Deutschland finden derzeit viele Verfahren wegen Gewerbeuntersagungen nach § 35 Gewerbeordnung statt, die für viele Betroffene auch die Frage nach einem bereinigenden Insolvenzverfahren im Ausland und für einen Neustart unter einer anderen internationalen Rechtsform aufwerfen können. Es gibt in diesem Bereich keine "Einheitskonzepte" von der Stange, sondern nur individuelle Lösungen. In vielen Fällen wehren sich die Betroffenen gegen die Gewerbeuntersagungen, oftmals mit wenig Erfolg, da es in der Regel für die rechtliche Beurteilung auf den Zeitpunkt des Erlasses der Ordnungsverfügung ankommt und allenfalls Zeit gewonnen werden kann, wobei es aber ebenfalls auf den konkreten Einzelfall ankommt. In vielen Fällen gelingt zwar eine Bereinigung der zugrundeliegenden Situationen, bei denen es es oftmals um Steuerschulden und Schulden bei Sozialversicherungsträgern geht. Allerdings hat dies im Regelfall eine einjährige Zwangspause zur Folge, um dann einen neuen Antrag auf Erteilung einer Erlaubnis stellen zu können.


Derartige Untersagungsverfügungen werden üblicherweise für sofort vollziehbar erklärt, so dass nach § 80 Abs.5 VwGO im Eilverfahren die Aufhebung der Vollziehung beantragt werden muss, was ziemlich oft scheitert. Mit einer Untersagungsverfügung für ein spezielles Gewerbe ist es aber oftmals nicht getan, da in solchen Fällen oftmals auch die Untersagung jeglicher gewerblichen Tätigkeit wegen Unzuverlässigkeit ausgesprochen wird. Die Problematik hat eine gesamteuropäische Relevanz, da sich vergleichbare Konstellationen auch in anderen Mitgliedstaaten der EU abspielen können.


Jenseits der Untersagung der Ausübung eines stehenden Gewerbes nach § 35 Gewerbeordnung betreffen derartige oftmals auch Fälle im Reisegewerbe nach §§ 55 ff Gewerbeordnung, wie dies im seitens des VG Neustadt entschiedenen Sachverhaltes der Fall ist, der den Grenzbereich zwischen Markenpiraterie und Gewerberecht betrifft. Er sollte von potentiell Betroffenen wenigstens zur Kenntnis genommen werden sollte, da der Vertrieb von Piraterieware zum Entzug der Reisegewerbekarte führen kann. Kurz gesagt ging es darum, dass ein Reisegewerbetreibender in Tschechien Markenpiraterieware erwarb, am Grenzübergang gestellt wurde und durch das AG Regensburg zu einer Geldstrafe von 90 Tagessätzen verurteilt wurde. Daraufhin wurde ihm die weitere Ausübung des Reisegewerbes durch das zuständige Ordnungsamt untersagt, die Reisegewerbekarte entzogen und die weitere Gewerbeausübung mit Sortvollzug untersagt. Infolgedessen spielen reisende Händler, die Markenpiraterieware vertreiben auch bei Geldstrafen bereits mit einer Gewerbeuntersagung, was einem zumindest zeitlich befristeten Berufsverbot sehr nahe kommt. Das vorliegende Urteil bewegt sich durchaus auf sicherem Boden der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts. 

Pressemitteilung

Sachverhalt

Die Stadt Kaiserslautern hat einem Reisegewerbetreibenden, der in Tschechien gefälschte Markenware eingekauft hat, um sie auf Flohmärkten in Deutschland gewinnbringend weiterzuverkaufen, zu Recht die Reisegewerbekarte wegen Unzuverlässigkeit widerrufen. Das hat das Verwaltungsgericht Neustadt in einem Eilverfahren entschieden. Der Antragsteller ist Inhaber einer von der Stadt Kaiserslautern ausgestellten Reisegewerbekarte für das Gewerbe Handel mit Flohmarktartikeln, Lederwaren, Textilien, Schuhen und Modeschmuck. Er wurde im August 2011 vom Amtsgericht Regensburg wegen Kennzeichenverletzung zu einer Geldstrafe von 90 Tagessätzen verurteilt. Anlass dafür war die Einreise des Antragstellers im April 2011 von Tschechien über den Grenzübergang Waldsassen nach Bayern, bei der er - zusammen mit einem Mitreisenden - insgesamt 175 gefälschte Bekleidungsstücke (T-Shirts, Sweat-Shirts und Jeans u.a. der Marken „Ed Hardy“, „Dolce & Gabbana“, „Nike“, „Diesel“ oder „Bench“) mit sich führte. Das Amtsgericht Regensburg begründete die Verurteilung damit, dem Antragsteller sei bewusst gewesen, dass es sich bei den Textilien um Falsifikate gehandelt habe. Er habe die nachgemachten Artikel in Tschechien gekauft und eingeführt, um sie gewinnbringend weiterzuverkaufen. Nachdem die Stadt Kaiserslautern hiervon Kenntnis erlangt hatte, widerrief sie die dem Antragsteller erteilte Reisegewerbekarte unter Verweis auf dessen Unzuverlässigkeit und ordnete zugleich die sofortige Vollziehung an. Dagegen suchte der Antragsteller um Eilrechtsschutz nach und berief sich darauf, er sei sich der Strafbarkeit seines Handelns nicht bewusst gewesen. Es habe sich um eine erst- und einmalige Verfehlung gehandelt. 

Die 4. Kammer des Gerichts lehnte den Eilantrag ab. Zur Begründung führten die Richter aus: Unter Berücksichtigung der besonderen Gefahren des Reisegewerbes für die Allgemeinheit sei der Antragsteller unzuverlässig. Es sei davon auszugehen, dass er die in Tschechien erworbenen Textilien habe mit einem deutlichen Preisaufschlag auf Flohmärkten im Bundesgebiet als Originale weiterverkaufen wollen. Mithin liege es nahe, dass es beim Vertrieb der gefälschten Markenware auch zu Betrugshandlungen gegenüber den Endverbrauchern gekommen wäre. Aber auch wenn sich die Käufer auf den Flohmärkten im Klaren darüber sein sollten, dass die vom Antragsteller angebotenen Waren keine Originalprodukte darstellten, sei der Weiterverkauf gefälschter Markenwaren bereits eine strafbewehrte Schädigung der Markenherstellern. 

Die Behauptung des Antragstellers, er sei sich der Strafbarkeit seines Handelns nicht bewusst gewesen, sei nicht glaubhaft. So seien Informationen darüber, dass in Tschechien nahe dem bayerisch-tschechischen Grenzübergang Waldsassen ein großes Areal existiere, wo zu günstigen Preisen Plagiate aller Art verkauft würden, bereits für das breite Publikum per Internet mühelos verfügbar. Es sei daher ausgeschlossen, dass dies gerade dem Antragsteller als gewerblichem Textilhändler nicht bekannt gewesen sei. 

Ob es sich - wie behauptet - um eine erstmalige Verfehlung gehandelt habe, sei unerheblich: Die feststehende strafbare Verfehlung betreffe den Kernbereich des vom Antragsteller ausgeübten Reisegewerbes – den Verkauf von Textilien auf Flohmärkten, bei dem der nachträgliche Schutz von Verbrauchern vor überteuerter und gefälschter Ware sich faktisch besonders schwer realisieren lasse. Dadurch erhalte die Verfehlung besonderes Gewicht. Gegen die Entscheidung steht den Beteiligten innerhalb von zwei Wochen die Beschwerde an das Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz zu.

Verwaltungsgericht Neustadt, Beschluss vom 18. April 2012- 4 L 2820/12.NW 

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