Montag, 19. März 2012

LG Koblenz: Unterlassung wg. Verstoß gegen ehevertraglich vereinbarte Verschwiegenheitspflichten durch Äußerungen in der Autobiographie von Thomas Anders

Landgericht Koblenz - Pressemeldung Landgericht Koblenz
AZ: 13 O 4/11 - Urt. v. 16.03.2012

Autobiographien sind rechtlich gesehen ein riskantes literarisches Genre, da die Grenze zu Persönlichkeitsrechstverletzungen schnell überschritten sein kann, je nach anwendbarer Rechtsordnung. Anders als bei Belletristik muss man hier üblicherweise nicht um die Identifizierbarkeit von Personen streiten, da die Personen meist offen namentlich genannt sind. Mitunter findet sich in Autobiographien über bestimmte Menschen, denen man im Leben näher begegnet ist, nicht unbedingt nur schmeichelhaftes. Nicht über jeden lässt sich derartiges schreiben. Man sollte nur im Einzelfall genau abschätzen, was rechtlich noch zulässig oder schon rechtlich gefährlich ist. Oftmals stellt dieser Bereich eine "dünne rote Linie" dar. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn die betreffenden Personen miteinander verheiratet waren und sich nach der Scheidung nicht mehr unbedingt viel positives zu sagen hatten, was nunmal öfter vorkommen soll.

Die Entscheidung über die einstweilige Verfügung über die Unterlassung bestimmter Passagen in der Autobiographie von Thomas Anders über seine Ex- Frau Nora Balling - ist nur ein Element in der rechtlichen Auseinandersetzung zwischen den beiden, da die Ex- Ehefrau unabhängig von der Unterlassung noch rund 1.000.000 Euro wegen Verwirkung einer Vertragsstrafe, Schadensersatz u.a. verlangt, wobei diesbezüglich noch keine Gerichtsentscheidung ergangen ist. Bestätigt hat das LG Koblenz indessen eine einstweilige Verfügung auf Unterlassung best. Äußerungen nach Widerspruch des Verfügungsbebeklagten, mit der ihm aufgegeben wurde, etliche Äußerungen in seiner Autobiographie zukünftig zu unterlassen, wenn auch nicht im vollumfänglich geforderten Umfang.

Der Fall weist eine rechtliche Besonderheit auf, die ihn juristisch interessant macht, da es hier nicht nur um die Verletzung deliktischer Persönlichkeitsrechte geht, sondern auch um die schuldhafte Verletzung einer ehevertraglich bzw. in einer Scheidungsfolgenvereinbarung vereinbarten Verschwiegenheitsvereinbarung, die zudem durch eine Vertragsstrafe gesichert ist. Verschwiegenheitsvereinbarungen sind in einer Vielzahl von Vertragsarten anzutreffen und grundsätzlich nicht rechtlich bedenklich. Dies gilt auch die Absicherungs durch Vertragsstrafen oder Schadensersatzpauschalisierungen. Das Gericht teilt zur Vertragssituation folgendes mit:

"Gegenstand des Verfahrens ist ein Antrag der ehemaligen Ehefrau des Künstlers Thomas Anders auf Unterlassung zahlreicher Äußerungen des Verfügungsbeklagten über ihre Person in dessen im September 2011 erschienenem Buch sowie in Talk-Sendungen, Buchlesungen und TV-Shows. Zur Begründung beruft sich die Verfügungsklägerin auf eine Verschwiegenheitsklausel in der anlässlich der Ehescheidung getroffenen Scheidungsfolgenvereinbarung." Die Klausel wird in der Pressemitteilung nicht zitiert. 

Aus der Pressemitteilung des Gerichts geht hervor, dass insoweit rechtliche Bedenken hinsichtlich der Reichweite dieser vertraglichen Bestimmung vorgetragen worden waren, die das Gericht nicht für stichhaltig hielt, weil die Verschwiegenheitsvereinbarung nach Auffassung der Kammer keinen Wirksamkeitsbedenken begegnet: 

" Die den Parteien auferlegten Unterlassungspflichten, sich nicht über Einzelheiten des Zusammenlebens, der Ehe und der Ehescheidung sowie über nicht allgemein bekannte persönliche Eigenschaften und Handlungen des anderen Teils und über den Inhalt der Scheidungsfolgenvereinbarung zu äußern, sei hinreichend bestimmbar. Die Regelung verstoße weder gegen ein Verbotsgesetz, noch bestünden Anhaltspunkte für eine Sittenwidrigkeit. Die Kammer verweist in diesem Zusammenhang darauf, dass die Verschwiegenheitsverpflichtung aufgrund der Prominenz der Vertragsparteien einem berechtigten Interesse entspreche. Sie sei nicht mit den ethischen Grundlagen der Ehe unvereinbar und entfalte keine knebelnde Wirkung. Auch habe der Verfügungsbeklagte seinen Einwand, durch die in der Klausel verankerte Vertragsstrafe bei Verstößen in Höhe von 100.000 € drohe eine Existenzgefährdung wegen Belanglosigkeiten, nicht belegt." 

Dies lässt sich ohne Kenntnis der Klausel nicht beurteilen, aber es ist abstrakt kaum ein Grund erkennbar, warum eine solche Vereinbarung nicht auch in Eheverträgen/Scheidungsvereinbarungen getroffen werden können soll. Jedenfalls sah die Kammer verschiedene Äußerungen als Verstoß gegen die für wirksam gehaltene Verschwiegenheitsverpflichtung an: 

 " Der größte Teil der Aussagen betreffe konkrete Handlungen der Verfügungsklägerin, wie etwa das Verhalten bei Einkäufen oder sonstige Begebenheiten des Lebensalltags der ehemaligen Ehepartner. Deren allgemeine Bekanntheit habe der Verfügungsbeklagte nicht dargelegt. Zwar habe er Veröffentlichungen über vergleichbare Handlungen bzw. über Eigenschaften der Verfügungsklägerin, die in den Handlungen zum Ausdruck kommen, vorgelegt. Die Kammer ist jedoch der Ansicht, dass nach der Verschwiegenheitsverpflichtung zwischen Äußerungen über Handlungen und Aussagen über Eigenschaften zu unterscheiden sei. Die in der Buchveröffentlichung des Verfügungsbeklagten geschilderten Handlungen seien mit ihrem konkreten Inhalt noch nicht allgemein bekannt gewesen.Das Begehren, dem Verfügungsbeklagten auch Äußerungen zur Abfindungssumme anlässlich der Ehescheidung zu untersagen, blieb erfolglos; nur insoweit hatte der Einspruch gegen das Versäumnisurteil Erfolg. Zwar seien entsprechende Äußerungen nach der Verschwiegenheitsverpflichtung unzulässig, doch habe die Verfügungsklägerin keine entsprechenden Verstöße des Verfügungsbeklagten belegt." 

Wie aus Presseberichten verlautet, geht die Sache in die nächste Instanz, so dass die Wirksamkeit solcher Klauseln auch durch die Berufungsinstanz zu prüfen ist. Nach derzeitiger Rechtslage spricht grds. wenig gegen die Aufnahme entsprechender Klausel auch in ehevertragliche Vereinbarungen, um sich gegen Verlautbarungen von Internas aus dem Bereich der Ehe zu sichern und Verstöße auch durch eine Vertragsstrafe abzusichern. Die Ankündung der Berufung ist auch verlagsrechtlich nur zu verständlich, weil es auch um dem Vertrieb des betreffenden Textes in der jetzigen Form geht, mit etlichen verlagsrechtlichen Folgeproblemen. 

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