Freitag, 16. März 2012

BGH: Zur Beweislast bei der Erschöpfungseinrede bei vermuteter Markenpiraterie

BGH, auf der Basis der Pressemitteilung Nr. 37/2012

Urteil vom 15. März 2012 - I ZR 52/10


Die Entscheidungen bewegen sich auf der Basis der bisherigen Rechtsprechung des BGH zur Beweislast bei der Erschöpfungseinrede, sind aber angesichts der Zurückverweisung ergebnisoffen, da nicht feststeht, ob es sich bei der streitgegenständlichen Ware um Orginalware aus Parallelimporten oder um Produktpiraterie handelt. Hier stand nicht einmal fest, ob die Klägerinnen die betreffenden Waren im Europäischen Wirtschaftsraum eingeführt hatten, ob es sich um Originalware handelt und ob Erschöpfung eingetreten ist. Nach Auffassung des BGH hätte hierzu im ersten Rechtsstreit in den Vorinstanzen Beweis erhoben werden müssen, während der BGH im zweiten Verfahren eine Erschöpfung aufgrund Beweisfälligkeit verneinte. 

Grundsätzlich war und ist der als Verletzer Angegriffene für die Voraussetzungen der markenrechtlichen Erschöpfung darlegungs - und beweisbelastet, weil die Erschöpfung eine Ausnahme gegenüber den markenrechtlichen Ausschließlichkeitsansprüchen darstellt. Vereinzelte Gegenauffassungen in der Literatur haben die Gerichte nicht sonderlich beeindruckt. Allerdings kann sich in geeigneten Fällen das Problem der sekundären Darlegungslast des Verletzten stellen, wenn sich Anhaltspunkte für eine Zustimmung im Rahmen des § 24 MarkenG finden lassen sollten, etwa aufgrund einer Einführung in den jeweiligen nationalen Markt nach einem "Zweiterwerb" des Angegriffenen. 

Um diese Reichweite der Erschöpfungseinwendung ging es hier, weil die als Verletzer Angegriffenen vorgetragen haben, die Ware von einem Berechtigten im europäischen Ausland erworben zu haben. Diese Einwendung wirft immer wieder die Frage nach der Reichweite der Prüfungspflicht eines Erwerbers in einer Vertriebskette auf, an die generell strenge Anforderungen gestellt werden. Grundsätzlich ist jedem Unternehmen nach der Rechtsprechung zuzumuten für angemessene Nachweise zu sorgen, die belegen, dass es ordnungsgemäß lizensierte Ware handelt, wobei aber schon kritisch ist, ob eine diesbezügliche Versicherung des Veräußerers ausreicht, die aber besser als gar nichts ist. Ein als Verletzer Angegriffener handelt in der Regel auf eigenes Risiko, wenn die Spur der Ware nicht hinreichend aufgeklärt ist. Allerdings gilt diese Beweisregel bei Parallelimporten nicht uneingeschränkt, wenn der Markeninhaber ein länderübergreifendes Vertriebssystem errichtet, dass es ihm gestattet, den Importfluss aus eigener Entscheidung zu regulieren oder er Märkte abschotten will, wobei die diesbezüglichen Einzelheiten erst in groben Zügen geklärt sind. Hierzu sah der BGH in beiden Fällen keine hinreichenden Anhaltspunkte.

Wer solche Ware zu Zwecken der Weiterveräußerung erwirbt, tut gut daran, sich mit größtmöglicher Sicherheit zu vergewissern, wie sich markenrechtlichen Lizenzrechtslage sich darstellt, zumal sich in solchen Fällen auch kostenintensive Schadensersatz- und Vernichtsansprüche realisieren können. 

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Pressemitteilung: 

Der unter anderem für das Markenrecht zuständige I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat in zwei Verfahren über Fragen der Beweislast entschieden, in denen zwischen den Parteien streitig ist, ob ein Händler Originalmarkenware oder Produktfälschungen vertrieben hat und ob die Waren - soweit es sich um Originalmarkenwaren handelt - vom Markeninhaber im Europäischen Wirtschaftsraum in den Verkehr gebracht worden sind. . 


Im ersten Verfahren ist die Klägerin die in den USA ansässige Converse Inc. Sie produziert und vertreibt den als "Converse All Star Chuck Taylor" bezeichneten Freizeitschuh. Sie ist Inhaberin der Marke "CONVERSE". Die Beklagte handelt mit Sportschuhen. Sie belieferte verschiedene Handelsgruppen mit Converse-Schuhen. Im September 2008 bot ein Verbrauchermarkt in Solingen von der Beklagten gelieferte Schuhe an, die mit der Marke der Klägerin versehen waren. Die Klägerin hat behauptet, dabei habe es sich um Produktfälschungen gehandelt. Sie hat die Beklagte auf Unterlassung in Anspruch genommen. Die Beklagte hat sich darauf berufen, dass die von ihr gelieferten Schuhe mit Zustimmung der Klägerin in Europa in Verkehr gebracht worden seien, so dass Erschöpfung des Markenrechts eingetreten sei.

Das Landgericht Stuttgart hat dem Unterlassungsbegehren im Wesentlichen stattgegeben. Das Oberlandesgericht Stuttgart hat die Klage abgewiesen. Der Bundesgerichtshof hat dieses Urteil aufgehoben und die Sache an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Vorliegend steht fest, dass die Beklagte im Sinne von § 14 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG im geschäftlichen Verkehr mit der Marke der Klägerin identische Zeichen für identische Waren verwendet hat, für die die Marke Schutz genießt. Dies stellt eine Markenverletzung dar, wenn es sich nicht um Originalmarkenware handelt, die von der Klägerin als Markeninhaberin oder mit ihrer Zustimmung im Europäischen Wirtschaftsraum in den Verkehr gebracht worden ist. 

Im Streitfall sind diese Umstände ungeklärt. Für die Frage, ob es sich um Originalmarkenware handelt, ist grundsätzlich die Beklagte beweispflichtig. Allerdings muss der Markeninhaber, der eine Produktfälschung behauptet, zunächst Anhaltspunkte oder Umstände vortragen, die für eine Fälschung sprechen. Dem ist die Klägerin im Streitfall nachgekommen.

Die Beklagte trifft auch die Beweislast dafür, dass die in Rede stehende Ware von der Klägerin oder mit deren Zustimmung im Europäischen Wirtschaftsraum in Verkehr gebracht worden ist und die Markenrechte danach gemäß § 24 MarkenG erschöpft sind. Diese Beweisregel gilt allerdings nicht, wenn der Markeninhaber ein Vertriebssystem errichtet hat, mit dem er den grenzüberschreitenden Weiterverkauf der Waren im Binnenmarkt - also Parallelimporte - verhindern kann und wenn die tatsächliche Gefahr der Marktabschottung besteht, falls der Händler die Lieferkette offenlegen muss. Der Markeninhaber könnte in einer solchen Fallkonstellation bei einer Offenlegung der Lieferbeziehungen auf den Vertragshändler mit dem Ziel einwirken, Lieferungen an außerhalb des Vertriebssystems stehende Händler künftig zu unterlassen. Im Streitfall besteht aber weder aufgrund der dem Vertriebssystem der Klägerin zugrundeliegenden vertraglichen Absprachen noch aufgrund eines tatsächlichen Verhaltens der Klägerin eine solche Gefahr der Marktabschottung.

Da nicht feststeht, ob es sich um Originalmarkenware handelt, die vom Markeninhaber oder mit seiner Zustimmung im Europäischen Wirtschaftsraum in Verkehr gebracht worden ist, hat der Bundesgerichtshof die Sache an das Berufungsgericht zurückverwiesen, damit die erforderlichen tatsächlichen Feststellungen getroffen werden.

Im zweiten Verfahren ist die Klägerin die ausschließliche Vertriebsgesellschaft der Converse Inc. in Deutschland, Österreich und der Schweiz. Die Beklagte gehört zu den weltweit größten Handelskonzernen. Im August 2006, Januar und August 2007 sowie im Januar 2008 verkaufte sie in ihren Einkaufsmärkten original "Converse-Schuhe". Nach Darstellung der Klägerin sind die Schuhe ursprünglich von der Converse in den USA in Verkehr gebracht worden; die Beklagte macht dagegen geltend, Converse habe die Schuhe im Europäischen Wirtschaftsraum in Verkehr gebracht.

Das Landgericht hat der Klage im Wesentlichen entsprochen. Die Berufung der Beklagten ist ohne Erfolg geblieben. Der Bundesgerichtshof hat dieses Urteil hinsichtlich des geltend gemachten Unterlassungsanspruchs bestätigt.

Auch im vorliegenden Verfahren steht fest, dass die Beklagte im geschäftlichen Verkehr mit der Marke identische Zeichen für identische Waren verwendet hat, für die die Marke Schutz genießt. Für das Inverkehrbringen der Originalmarkenware im Europäischen Wirtschaftsraum ist im Streitfall entsprechend der grundsätzlichen Beweislastverteilung die Beklagte beweispflichtig, weil eine tatsächliche Gefahr der Marktabschottung nicht besteht. Nach den Angaben der Beklagten stammt die Ware von einem slowenischen Vertriebspartner der Markeninhaberin, der schon vor dem in Rede stehenden Erwerb der "Converse-Schuhe" durch die Beklagte aus dem Vertriebssystem der Markeninhaberin ausgeschieden ist. 

Es besteht daher für die Markeninhaberin keine Möglichkeit, auf ein künftiges Lieferverhalten dieses ehemaligen Vertriebspartners einzuwirken und dadurch die Märkte der Mitgliedstaaten gegeneinander abzuschotten. Da die Beklagte keinen tauglichen Beweis dafür angeboten hat, dass der slowenische Vertriebspartner die in Rede stehende Ware tatsächlich von der Markeninhaberin erhalten hat, können die Voraussetzungen der Erschöpfung nicht angenommen werden.

LG Stuttgart - Urteil vom 17. November 2009 - 17 O 714/08
OLG Stuttgart - Urteil vom 4. März 2010 - 2 U 86/09
GRUR-RR 2010, 198

und

Urteil vom 15. März 2012 - I ZR 137/10
LG Hamburg - Urteil vom 30. Oktober 2008 - 327 O 569/07
OLG Hamburg - Urteil vom 7. Juli 2010 - 5 U 246/08 

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