Mittwoch, 2. November 2011

BGH zum Umfang des Insolvenzschutzes bei Pauschalreisen

Bundesgerichtshof - Mitteilung der Pressestelle Nr. 173/2011 vom 02.11.2011 Bundesgerichtshof zum Umfang des Insolvenzschutzes bei Pauschalreisen ---

Der Insolvenzschutz bei Pauschalreisen hat seine Tücken und Lücken im Versicherungsschutz. Im vorliegenden Fall hatte sich ein Versicherer versucht, der Haftung für eine Insolvenz des Reiseveranstalters mit dem Argument zu entgehen, dass die betreffende Reise bereits vor der Insolvenz nicht zustande gekommen ist und der Zeitpunkt - der etwa einen Monat später liegenden - der Stellung des Insolvenzantrages und der nach vorläufiger Insolvenzverwaltung erfolgten Insolvenzeröffnung nicht auf diesen Zeitpunkt zurückwirkt. Damit wird versucht eine Lücke im Konzept des Sicherungsscheines nach § 651 k BGB zu schaffen. Diese fehlerhafte Rechtsauffassung stieß im Instanzenzug auf keinerlei "Sympathien".

Der BGH legt § 651 k BGB mit Blick auf Art. 7 der Richtlinie 90/314/EWG in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des EuGH dahingehend aus, die eindeutig von einem umfassenden Schutzkonzept ausgeht, so dass auch Rückzahlungsansprüche vom Versicherungsschutz erfasst sind, die aufgrund einer Insolvenz des Reiseveranstalters nicht mehr von diesem erfüllt werden können. Nichts anders ist auch in § 651k BGB geregelt, der diese Norm in deutsches Recht umgesetzt hat. Weder nach deutschem noch nach eureopäischem Recht kommt es auf eine Kausalität der Insolvenz für den Reiseausfall an, sondern es reicht aus, "dass infolge der Insolvenz dem Reisenden vom Veranstalter der vorausgezahlte Preis für die ausgefallene Reise nicht erstattet werden kann und der insolvente Reiseveranstalter naturgemäß auch zur Durchführung der Reise nicht mehr in der Lage ist." Jedes andere Verständnis verkennt das Sicherungskonzept das dieser Regelung zugrundeliegt, was nunmehr höchstrichterlich geklärt ist.

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Nr. 173/2011: Die Kläger buchten Anfang 2009 über einen Reiseveranstalter eine Kreuzfahrt, die Anfang 2010 hätte stattfinden sollen. Sie überwiesen, nachdem sie einen "Sicherungsschein für Pauschalreisen gemäß § 651k des Bürgerlichen Gesetzbuches" des nunmehr verklagten Hamburger Versicherers erhalten hatten, jeweils über 7.400 EUR an den Reiseveranstalter. Anfang August 2009 teilte der Reiseveranstalter den Klägern mit, dass die Reise mangels Nachfrage nicht stattfinde. Bereits einen Monat später wurde durch das Insolvenzgericht die vorläufige Verwaltung des Vermögens des Reiseveranstalters angeordnet, Anfang Dezember 2009 das Insolvenzverfahren eröffnet.

Zur Rückzahlung des Reisepreises durch den Reiseveranstalter kam es nicht mehr. Der beklagte Versicherer lehnte eine Erstattung ab. Die Reise sei nicht aufgrund der Insolvenz des Reiseveranstalters ausgefallen, sondern weil sie von diesem mangels Nachfrage abgesagt worden sei. Das Risiko, dass der dadurch ausgelöste Rückzahlungsanspruch wegen Insolvenz des Reiseveranstalters nicht mehr realisiert werden könne, werde vom Wortlaut des Sicherungsscheins, der der gesetzlichen Formulierung in § 651k BGB folge, nicht erfasst. Ferner treffe die Kläger ein Mitverschulden, weil sie den Reisepreis bereits ein Jahr vor Beginn der Reise beglichen hätten, ohne dass sie hierzu verpflichtet gewesen seien.

Das Landgericht hat der Klage stattgegeben. Die Berufung der Versicherung hatte keinen Erfolg. Der unter anderem für das Reiserecht zuständige X. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat diese Entscheidungen heute bestätigt.

Ein Reisender, zu dessen Gunsten ein Reisepreisversicherungsvertrag gemäß § 651k des Bürgerlichen Gesetzbuches abgeschlossen worden ist, ist damit – so der BGH - auch gegen das Risiko absichert, dass nach einer Absage der Reise durch den Reiseveranstalter sein Anspruch auf Rückzahlung des vorausbezahlten Reisepreises aufgrund der Insolvenz des Reiseveranstalters nicht mehr realisiert werden kann. § 651k BGB ist auch auf diese Fallgestaltung anzuwenden, weil der deutsche Gesetzgeber die Vorgaben aus Art. 7 der Richtlinie 90/314/EWG des Rates vom 13. Juni 1990 über Pauschalreisen vollständig umsetzen wollte.

Art. 7 der Richtlinie erfasst eindeutig auch den vorliegenden Fall, weil die Richtlinie vorschreibt, dass der Reiseveranstalter für den Fall seiner Zahlungsunfähigkeit oder Insolvenz die Erstattung gezahlter Beträge und die Rückreise des Verbrauchers sicherzustellen hat. Eine Kausalität der Insolvenz für den Reiseausfall muss daher weder nach europäischen noch nach deutschem Recht bestehen, es reicht vielmehr aus, dass infolge der Insolvenz dem Reisenden vom Veranstalter der vorausgezahlte Preis für die ausgefallene Reise nicht erstattet werden kann und der insolvente Reiseveranstalter naturgemäß auch zur Durchführung der Reise nicht mehr in der Lage ist. In diesem Sinne sind auch die zu Gunsten der Kläger abgeschlossenen Reisepreisversicherungsverträge zwischen dem Reiseveranstalter und dem beklagten Versicherer auszulegen, weil sie in ihren allgemeinen Versicherungsbedingungen auf die gesetzliche Regelung Bezug nehmen.

Eine Vorlage an den Gerichtshof der Europäischen Union zur Auslegung der Pauschalreise-Richtlinie hat der Senat wegen des klaren Wortlauts des Art. 7 und der bereits ergangenen Rechtsprechung des Gerichtshofs nicht für notwendig erachtet. § 651 k BGB lautet (auszugsweise):

"(1)Der Reiseveranstalter hat sicherzustellen, dass dem Reisenden erstattet werden 1.der gezahlte Reisepreis, soweit Reiseleistungen infolge Zahlungsunfähigkeit oder Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Reiseveranstalters ausfallen, und 2.notwendige Aufwendungen, die dem Reisenden infolge Zahlungsunfähigkeit oder Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Reiseveranstalters für die Rückreise entstehen. Die Verpflichtungen nach Satz 1 kann der Reiseveranstalter nur erfüllen 1. durch eine Versicherung bei einem im Geltungsbereich dieses Gesetzes zum Geschäftsbetrieb befugten Versicherungsunternehmen oder 2. durch ein Zahlungsversprechen eines im Geltungsbereich dieses Gesetzes zum Geschäftsbetrieb befugten Kreditinstituts. (2) … (3) Zur Erfüllung seiner Verpflichtung nach Absatz 1 hat der Reiseveranstalter dem Reisenden einen unmittelbaren Anspruch gegen den Kundengeldabsicherer zu verschaffen und durch Übergabe einer von diesem oder auf dessen Veranlassung ausgestellten Bestätigung (Sicherungsschein) nachzuweisen. … (4) Reiseveranstalter und Reisevermittler dürfen Zahlungen des Reisenden auf den Reisepreis vor Beendigung der Reise nur fordern oder annehmen, wenn dem Reisenden ein Sicherungsschein übergeben wurde. …" Art. 7 der Richtlinie lautet: "Der Veranstalter und/oder Vermittler, der Vertragspartei ist, weist nach, dass im Fall der Zahlungsunfähigkeit oder des Konkurses die Erstattung gezahlter Beträge und die Rückreise des Verbrauchers sichergestellt sind."

Urteil vom 2. November 2011 – X ZR 43/11 LG Hamburg – 334 O 249/09 – Urteil vom 19. August 2010 OLG Hamburg – 9 U 154/10 – Urteil vom 29. März 2011 und Urteil vom 2. November 2011 – X ZR 44/11 LG Hamburg – 334 O 250/09 – Urteil vom 19. August 2010 OLG Hamburg – 9 U 155/10 – Urteil vom 29. März 2011 Karlsruhe, den 2. November 2011
Quelle: Pressestelle des Bundesgerichtshofs

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