Donnerstag, 27. Oktober 2011

Vorratsdatenspeicherung: Kommission fordert Deutschland und Rumänien zur vollständigen Umsetzung der EU-Vorschriften auf

Eine endgültige rechtliche Klärung in dieser Sache wird nur ein Verfahren vor dem EuGH bringen, in dem zu prüfen ist, ob die Vorratsdatenspeicherung mit den Europäischen Grundfreiheiten und der EU - Grundrechtscharta in Übereinstimmung steht, unbeschadet der Möglichkeiten weiterer Verfahren vor dem EGMR. Die Prüfung könnte durch den EuGH auch im Rahmen eines Vertragsverletzungsverfahrens geschehen, sofern ein angegriffenes Mitglied der EU sich darauf berufen würde.  

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Brüssel, 27. Oktober 2011 – Heute hat die Kommission Deutschland und Rumänien förmlich dazu aufgefordert, innerhalb von zwei Monaten für die vollständige Umsetzung der EU-Vorschriften zur Vorratsspeicherung von Daten zu sorgen. Seit den Urteilen des deutschen und des rumänischen Verfassungsgerichts, mit denen die Gesetze zur Umsetzung der Richtlinie zur Vorratsspeicherung von Daten aufgehoben wurden, haben beide Länder keine Informationen dazu übermittelt, wann und auf welchem Wege neue Vorschriften verabschiedet werden.

Die Richtlinie zur Vorratsspeicherung von Daten schreibt Telekommunikationsbetreibern und Internetanbietern zwingend vor, Verbindungs- und Standortdaten für Strafverfolgungszwecke zu speichern. Die Verzögerung bei der Umsetzung der Richtlinie in innerstaatliches Recht durch Deutschland und Rumänien könnte negative Auswirkungen auf den Binnenmarkt für elektronische Kommunikation sowie auf die Fähigkeit von Justiz- und Polizeibehörden haben, schwere Straftaten aufzudecken, zu untersuchen und zu verfolgen. Die Kommission hat daher beschlossen, beide Staaten mit einer mit Gründen versehenen Stellungnahme dazu aufzufordern, diesen Verstoß gegen EU-Recht (Artikel 258 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäische Union) zu beenden.

Hintergrund

Deutschland und Rumänien hatten der Kommission im Januar bzw. November 2008 ihre innerstaatlichen Maßnahmen zur Umsetzung der Richtlinie zur Vorratsspeicherung von Daten übermittelt. Am 2. März 2010 hob das deutsche Bundesverfassungsgericht jedoch einige Bestimmungen des Gesetzes zur Telekommunikationsüberwachung vom 31. Dezember 2007 auf. Das rumänische Verfassungsgericht traf am 8. Oktober 2009 eine ähnliche Entscheidung, indem es das Gesetz Nr. 298/2008 für verfassungswidrig erklärte. Die beiden Verfassungsgerichte haben nicht die Richtlinie zur Vorratsspeicherung von Daten selbst als verfassungswidrig beurteilt. Obwohl die Urteile beider Verfassungsgerichte die volle Umsetzung der Richtlinie in Deutschland und Rumänien in verfassungskonformer Weise keineswegs ausschließen, wurden bisher keine neuen Rechtsvorschriften erlassen.

Am 17. Juni 2011 übermittelte die Kommission ein Aufforderungsschreiben an Deutschland und Rumänien. Deutschland teilte der Kommission am 16. August 2011 mit, dass das deutsche Justizministerium einen Vorschlag zur Umsetzung der Richtlinie erstellt habe, der sich gerade im Stadium interministerieller Konsultationen befinde. Die von den rumänischen Behörden übermittelten Informationen lassen ebenso darauf schließen, dass die Verhandlungen über ein neues Gesetz auf interministerieller Ebene noch nicht abgeschlossen sind.

Wegen fehlender Gesetzesentwürfe zur vollständigen Umsetzung der Richtlinie zur Vorratsspeicherung von Daten und fehlender Zeitpläne für ihre endgültige Verabschiedung hat die Kommission beschlossen, Deutschland und Rumänien eine mit Gründen versehene Stellungnahme nach Artikel 258 zu übermitteln.

Die Richtlinie zur Vorratsspeicherung von Daten (2006/24/EG) wurde 2006 angenommen und hätte bis zum 15. September 2007 in innerstaatliches Recht umgesetzt sein müssen, wobei die Möglichkeit bestand, die Speicherung von Verbindungsdaten beim Zugang zum Internet sowie bei der Nutzung von Internet-Telefonie und elektronischer Post erst ab dem 15. März 2009 zwingend vorzuschreiben.
Vorratsspeicherung von Daten heißt, dass die Verbindungs- und Standortdaten (nicht der Inhalt) elektronischer Mitteilungen gespeichert werden. Die Richtlinie sieht vor, dass die von den Internetanbietern und Telefongesellschaften gespeicherten Verbindungs- und Standortdaten nur in besonderen Fällen nach Maßgabe des innerstaatlichen Rechts, der einschlägigen Bestimmungen des Rechts der Europäischen Union und des Völkerrechts an die nationalen Strafverfolgungsbehörden weitergegeben werden dürfen.

Im April 2011 hat die Kommission einen Bewertungsbericht angenommen, in dem die Umsetzung der Richtlinie durch die Mitgliedstaaten analysiert wird und die Verwendung der erhaltenen Daten sowie die Auswirkungen auf Betreiber und Konsumenten bewertet werden (IP/11/484 und MEMO/11/251).
Weitere Informationen:

Website von EU-Innenkommissarin Cecilia Malmström

Website GD Inneres:

Vertragsverletzungsverfahren für den Politikbereich Inneres:


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